26/08/2016

WEITERBILDUNG FÜR DEN WIEDEREINSTIEG? – WARUM GERADE FRAUEN NEBEN JOB UND ALLTAG NOCH LERNEN.

Kinder, Haushalt, Beruf – und dann auch noch Fortbildung? Das ist nicht einfach unter einen Hut zu bekommen. Dennoch gehen insbesondere viele Frauen diesen Weg. Warum? Ist Weiterbildung am Ende weiblich? Diese Frage haben wir in der Sommerpause Hella Grapenthin gestellt. Sie ist Geschäftsführerin der Beratungsstelle Frauen in Arbeit und Wirtschaft e.V., die unter anderem im Rahmen des Bundesprogramms „Perspektive Wiedereinstieg – Potenziale erschließen“ Frauen und auch Männer nach mehrjähriger familienbedingter Unterbrechung der Berufstätigkeit berät.

Frau Grapenthin, ist Weiterbildung weiblich?

Hella Grapenthin: Wir beraten ja nun vor allem Frauen. Aus unserer Beratung wissen wir, dass Frauen sich vor allem dann weiterbilden wollen, wenn es um den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Familienzeit geht. Nach oder gegen Ende der Elternzeit machen sich viele Gedanken und auch Sorgen, wie sie wieder Anschluss in den Beruf finden.

Sind Frauen da anders als Männer – oder hat das mit dieser spezifischen Situation der Berufsunterbrechung zu tun?

Es lässt sich sicherlich nicht verallgemeinern, aber die Tendenz ist zu beobachten, dass Frauen sich selbst stärker kritisieren und von einer hohen Erwartungshaltung der Arbeitgeber ausgehen, der sie entsprechen wollen. Wenn sie sich neu bewerben, das merken wir auch in der Beratung, sagen Frauen oft: Hier sind drei Punkte in der Stellenausschreibung, die erfülle ich nicht – und bewerben sich nicht. Männer stehen da eher zu sich und ihren Fähigkeiten. Das ist eine andere Grundeinstellung. Aber man muss auch sagen: Frauen sind häufig ein bis drei Jahre oder auch länger wegen der Kindererziehung raus aus dem Beruf, Väter haben diese längere Unterbrechung nicht unbedingt. Bei einer Krankenschwester, die beispielsweise nach zehn Jahren wieder in den Beruf will, ist klar, dass sich viel in dieser Zeit im Krankenhaus verändert hat. Viele Frauen wollen und müssen sich da auf den neusten Stand bringen. Auch wenn sie vielleicht den Kontakt zum Arbeitgeber gehalten haben und auf geringfügiger Basis tätig waren, haben Frauen meist das Gefühl, sie müssen das aufholen.

Schaut man nun auf die nackten Zahlen, beispielsweise des Statistischen Bundesamts zum Thema Weiterbildung, zeigt sich, dass in Deutschland insgesamt etwas mehr Männer sich an Weiterbildung beteiligen als Frauen. Sie sagen, die Zahlen muss man sich genau angucken, wenn man Ursachen erforschen will. Warum?

Zwei Beispiele: In der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung, die vom Arbeitgeber bezahlt wird und die oft während der Arbeitszeit stattfindet, sind mehr Männer als Frauen vertreten. Hier muss man schauen: Welche Faktoren beeinflussen das? Wie viele Frauen sind überhaupt in der jeweiligen Branche erwerbstätig, auf welcher Ebene, wie viele Stunden arbeiten sie und wie viel Unterstützung erhalten sie bei der Weiterbildung vom Arbeitgeber? Bei der individuellen Weiterbildung zeigt sich dagegen ein anderes Bild: Da sind die Frauen vorn. Interessant ist hier: Individuelle Weiterbildung kostet die meiste Zeit, weil sie neben dem Beruf stattfindet – und wird selbst bezahlt, wenn sie nicht über Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit oder Bildungsprämien etc. finanziert werden kann. Diese Punkte tauchen in den Statistiken nicht auf. Werden sie berücksichtigt, könnte man auch sagen: Erstaunlich, dass Frauen insgesamt gesehen inzwischen fast auf den gleichen Anteil wie die Männer kommen.

Sie beraten im Rahmen des vom Bundesbildungsministerium initiierten Programms „Perspektive Wiedereinstieg“ Frauen und auch Männer. Welche Tipps geben Sie, wie die Mehrfachbelastung von Weiterbildung, Beruf und Familie gelingen kann?

Wichtigster Punkt ist, mit dem Partner eine gemeinsame Regelung zu finden. Diesen Punkt greift das Programm seit ein paar Jahren auf. Väter werden in den Wiedereinstieg mit einbezogen, weil es an dieser Stelle oft hakt: Sie können sich oft in Erziehung und Haushalt nicht so einbringen, wie es nötig wäre, wenn beide berufstätig sind. Wir versuchen zum Umdenken anzuregen, damit Mütter mehr unterstützt werden, bei Wiedereinstieg und Qualifizierung. Denn eine Vierfachbelastung durch Weiterbildung, Beruf, Kinder und Haushalt hält niemand ohne Unterstützung lange durch, man powert sich aus.

Das Programm „Perspektive Wiedereinstieg“, finanziert mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds, hat bundesweit 22 Beratungsstellen installiert. Weitere Informationen finden Sie hier: www.perspektive-wiedereinstieg.de

Der Verein Frauen in Arbeit und Wirtschaft berät in Bremen zum Programm und auch darüber hinaus zu Themen wie Berufsorientierung, -weiterbildung und Existenzgründung: www.faw-bremen.de  

Fernstudium und Elternzeit:

Ein Fernstudium in der Elternzeit – geht das überhaupt? Ja, sagt Isabell Baden, Leiterin Studienservice der APOLLON Hochschule. Sie berät Studierende, die entweder aus der Elternzeit heraus studieren oder Studierende, die während des Fernstudiums schwanger werden. Grundsätzlich sei ein Fernstudium immer eine zusätzliche Herausforderung für den Alltag – egal in welcher Lebenslage. Aber ebenso sei es auch aus jeder Lebenslage heraus zu wuppen.

Die APOLLON Hochschule unterstützt Frauen – und auch Männer – in der Elternzeit. Die Studierenden erhalten beispielsweise einen Elternzeitrabatt von 10 Prozent auf die Studiengebühren. Studierende, die während des Fernstudiums ein Kind erwarten, können die Mutter-Baby-Pause nutzen, die ein Aussetzen des Fernstudiums in den ersten drei Lebensmonaten ermöglicht – zusätzlich zu den für alle Studierenden angebotenen Möglichkeiten der Studienpausierung.

„Wie stellen fest“, so Isabell Baden, „dass insbesondere die Mütter in der Elternzeit oft sehr kreativ das Studienmanagement in Angriff nehmen.“ Neben klaren Timeslots ohne Kind, die mit dem Partner zum Lernen verabredet und eingehalten werden, lassen sich die Mütter auch ganz unterschiedliche Lernmethoden einfallen. „Kürzlich berichtete mir zum Beispiel eine Studierende, dass sie sich die Studienmaterialien mit einem Toll auf dem Smartphone vorlesen lässt, während sie mit dem Kinderwagen unterwegs ist“, so Baden.  

Autorin: Sonja Bleibenich