09/09/2024

Purpose Economy: Verantwortungseigentum im Gesundheitswesen

Das Verantwortungseigentum bietet eine vielversprechende Alternative zu öffentlich-rechtlichen und investorengetriebenen Modellen für Gesundheitsunternehmen. Hier stehen weder politische noch finanzielle Interessen der Eigentümer im Vordergrund, wodurch das Unternehmen sich vollständig auf seinen Purpose (Sinn und Zweck) konzentrieren kann. 🎯

Die Ausgangslage 💰

Die Profit-Orientierung im deutschen Gesundheitswesen ist ein häufig diskutiertes Thema. Kritische Stimmen richten sich gegen private Investoren, die aus finanziellen Interessen handeln. Gleichzeitig gibt es Forderungen nach einer Verstaatlichung des Gesundheitswesens, die jedoch ebenfalls umstritten ist, da befürchtet wird, dass dies zu mehr Bürokratie und Ineffizienz führen könnte.

Das Problem ⚖️

Hinzu kommt, dass die deutsche Gesundheitsversorgung durch komplexe Gesetze geregelt wird, die eine gerechte Versorgungsinfrastruktur sicherstellen sollen. Diese führen jedoch zu hohen bürokratischen Kosten und binden Mittel, die sonst direkt der Gesundheitsversorgung zugutekommen könnten. Das Ergebnis ist ein teures System, das nur mittelmäßige Ergebnisse in Bezug auf Morbidität, Mortalität und Zufriedenheit der Bevölkerung liefert.

Purpose Economy – die Lösung? 💡

Eine Lösung der beschriebenen Problematik könnte das Verantwortungseigentum für das Gesundheitswesen sein. Es handelt sich dabei um eine noch recht unbekannte privatwirtschaftliche, nicht profitorientierte Unternehmensform.

Für Studierende, die verantwortliche Positionen in der Gesundheitswirtschaft übernehmen werden oder Personen, die diese schon innehaben, lohnt es sich, sich mit dem Verantwortungseigentum zu befassen.

Wie funktioniert Verantwortungseigentum in der Praxis? 🤝

Private natürliche oder juristische Personen, die langfristig mit dem Unternehmen verbunden sind, können zwar Eigentümer werden, haben jedoch keinen Zugriff auf das Unternehmensvermögen. Dies führt dazu, dass sich die Rolle der Eigentümer von einem Nutznießer zu einem Treuhänder wandelt, wodurch das Unternehmen sich vollständig auf die Erfüllung seines eigenen Zwecks (Purpose) konzentrieren kann.

Welche Vorteile hat das Verantwortungseigentum? ☝️

„Wählen Gesundheitsunternehmen das Verantwortungseigentum als Rechtsform, könnten die Vorteile der privaten Marktwirtschaft mit denen der Vermögensbindung vereint werden. Knappe Ressourcen wie Arbeitszeit, Geld oder fossile Rohstoffe werden sparsamer genutzt, wodurch die Gesundheitsversorgung bei gleichbleibender Qualität kostengünstiger gestaltet werden könnte. Das dadurch eingesparte Geld könnte anschließend in die weitere Verbesserung der Versorgungsqualität investiert werden“, so Prof. Dr. Felix Hoffmann, Experte für Weiterentwicklung und Digitalisierung von Versorgungsstrukturen.

Aktuelle Entwicklungen

👉 Das Konzept des Verantwortungseigentums wurde 2021 in den Ampel-Koalitionsvertrag aufgenommen und soll noch in dieser Legislaturperiode als neue Rechtsform eingeführt werden.

👉 Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen soll eine neue geeignete Rechtsgrundlage geschaffen werden, die Steuersparmodelle ausschließt und insbesondere bei ungeklärter Unternehmensnachfolge zusätzliche Möglichkeiten eröffnet.

👉 Das ist z. B. für medizinische Versorgungszentren von Bedeutung, da sie aufgrund der stark eingeschränkten Gründungsberechtigung häufig vor Herausforderungen bei der Unternehmensnachfolge stehen. (Stand September 2024)

Literatur

  • • Deutscher Ärztetag (2024) Investorenbetriebene MVZ endlich regulieren: Beschluss. In: Bundesärztekammer (ed) 128. Deutscher Ärztetag: Beschlussprotokoll. Mainz, 07. – 10. Mai 2024, Berlin, pp 163–164
  • • Bundesrat (2023) Entschließung des Bundesrates „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“: Drucksache 211/23 (Beschluss), Berlin
  • • Bietz C., Willeke J. (2023) Purpose-Orientierung mit Verantwortungseigentum: Warum das Gesundheitswesen eine neue Rechtsform braucht. In: Hoffmann F., Dittmer C., Löber N. (eds) Purpose!: Praxishandbuch für die werteorientierte Transformation des Gesundheitswesens, 1. Auflage. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, pp 53–59
  • • Reiff M (2024) Verantwortungseigentum: Idee, Umsetzung und Kritik eines alternativen Eigentums an Unternehmen, 1st ed. Studien zum Privatrecht. Mohr Siebeck, Tübingen
  • • Hoffmann F., Schumacher H. (2023) Purpose Economy im Gesundheitswesen: Begriffsdefinition und Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. In: Hoffmann F., Dittmer C., Löber N. (eds) Purpose!: Praxishandbuch für die werteorientierte Transformation des Gesundheitswesens, 1. Auflage. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin
  • • Kannan S., Bruch J.D., Song Z. (2023) Changes in Hospital Adverse Events and Patient Outcomes Associated With Private Equity Acquisition. JAMA 330:2365–2375. https://doi.org/10.1001/jama.2023.23147
  • • Kauffmann M., Höcherl L. (2023) Purpose-orientierte Finanzierungsstrukturen im Gesundheitssystem. In: Hoffmann F., Dittmer C., Löber N. (eds) Purpose!: Praxishandbuch für die werteorientierte Transformation des Gesundheitswesens, 1. Auflage. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, pp 74–81
  • • van der Horst N. (2023) Embedding checks and balances in steward ownership: The case of OpenAI. https://transformativeprivatelaw.com/embedding-checks-and-balances-in-steward-ownership-the-case-of-openai/. Accessed 09 Jun 2024
  • • Bundesministerium der Finanzen (2023) Talk mit Christian Lindner auf der re:publica: Textfassung des Videos „Talk mit Christian Lindner auf der re:publica“. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Video-Textfassungen/2023/textfassung-2023-06-05-talk-mit-dem-minister.html. Accessed 02 Aug 2024
  • • Bundesregierung (2024) Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland, Berlin
  • • Hoffmann F (2021) Ländliche Notfallversorgung 4.0 – MVZ in Verantwortungseigentum als visionäres Konzept? In: Hellmann W. (ed) Kooperative Versorgungsformen – Chance für den ländlichen Raum: Praxisbeispiele, Konzepte, Wissensvermittlung, 1. Auflage. Mediengruppe Oberfranken, Kulmbach, pp 76–83