06/02/2024
Digitalisierung im Gesundheitswesen: Das erwartet uns 2024
Digitale Technologien versprechen einen großen Mehrwert für die Gesundheitsbranche, unter anderem die Qualität und die Effizienz betreffend. Trotz vieler offensichtlicher Vorteile geht es mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland nur langsam voran. Ein wichtiger Schritt ist jedoch mit der Einführung des Elektronischen Rezeptes (E-Rezept) am 1. Januar 2024 getan. Versicherte können verschreibungspflichtige Medikamente seitdem mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte, per App – aber auch nach wie vor als Ausdruck in Papierform – einlösen. Welche Themen aus dem Bereich Digitalisierung in der Gesundheitsbranche in diesem Jahr voraussichtlich noch diskutiert werden und was er daran zum Teil kritisch sieht, erklärt Prof. Dr. Felix Hoffmann, Professor für Digital Health an der APOLLON Hochschule und Studiengangsleiter der Masterstudiengänge „Digital Health (M. A.)“ und „Digital Health Management (M. A.)“.
Elektronische Patientenakte – Theorie und Praxis
„Digitale Technologien bleiben im Gesundheitswesen – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – aktuell. Das E-Rezept wurde bereits auf den Weg gebracht, die praktische Einführung der elektronischen Patientenakte (ePa) steht noch aus – und ich glaube nicht daran, dass sie 2024 flächendeckend zum Einsatz kommen wird“, so Felix Hoffmanns Einschätzung. „Ich würde mir in Bezug auf die ePa mehr Wettbewerb wünschen – bereits seit 2002 arbeitet die Nationale Agentur für Digitale Medizin, gematik, an der Entwicklung und Umsetzung der ePa, es sind Milliarden Euro ausgegeben worden und wir haben immer noch keine funktionierende ePa in Deutschland. Meiner Meinung nach wäre es bei einem solchen Projekt wichtig, marktwirtschaftliche Möglichkeiten auszuschöpfen und etwa innovative Start-ups mit ins Boot zu holen.“
Technologien zu einem funktionierenden Ökosystem zusammenfügen
„Letztlich haben wir aber bereits unzählige Technologien, die für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen. Aus meiner Sicht muss es deshalb künftig darum gehen, uns nicht ausschließlich auf die Entwicklung noch mehr neuer Technologien zu konzentrieren, sondern vielmehr dafür zu sorgen, dass die bestehenden Technologien endlich zu einem funktionierenden Ökosystem zusammengefügt werden können“, so Hoffmann. „Dafür braucht es Menschen, die Veränderungen mit langem Atem und viel Geduld umsetzen sowie geeignete Kommunikationsstrategien. Zudem sind die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen sehr komplex und behindern derzeit viele Leistungserbringer mehr, als dass sie einen Wandel unterstützen. Deshalb sollten neben neuen gesetzgeberischen Initiativen auch bestehende Normen auf ihren Nutzen überprüft werden.“
Im Fokus: Purpose-Economy stärken
„Ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist das Modell der Purpose-Economy, das den Sinn und Zweck eines Unternehmens in den Mittelpunkt stellt. Wenn wir Versorgungsstrukturen aufbauen und Unternehmensstrukturen schaffen wollen, die nicht in erster Linie den Eigentümerinnen und Eigentümern, sondern den Patientinnen und Patienten nützen, erfordert das auch neue gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Die Ampel-Regierung beabsichtigt die Einführung der neuen Rechtsform „Verantwortungseigentum“ noch in dieser Legislaturperiode und das könnte ein großer Gamechanger für das Gesundheitswesen sein. Purpose-orientiertes Wirtschaften ist meiner Meinung nach die richtige Zukunftsstrategie für ein nachhaltiges Gesundheitswesen – und ein Thema, das auch in 2024 weiter diskutiert werden wird,“ so Felix Hoffmann.
Künstliche Intelligenz – Gamechanger oder nicht?
„Über Künstliche Intelligenz (KI) wird auch in der Medizin und im Gesundheitswesen gerade viel geredet, aber oft ist nicht klar: Was ist diese KI eigentlich und was kann sie wirklich? Ist sie ein echter Gamechanger – oder vielleicht doch nicht?“, bringt Felix Hoffmann ein weiteres aktuelles Thema ins Spiel. „KI arbeitet im Grunde über Mustererkennung. In der Medizin kann das zum Beispiel sinnvoll sein, wenn es etwa um die Überwachung und Auswertung von Vitalwerten geht“, erläutert Hoffmann. „Die KI ist hier sehr effizient, sie wertet Fälle aus, berechnet Wahrscheinlichkeiten, hat eine gute Trefferquote, was Vorhersagen betrifft – und sie lernt dazu. Aus meiner Sicht kann die KI vor allem im Bereich Datenerkennung und -auswertung ein wirksames Instrument zur Qualitätsverbesserung und eine Arbeitserleichterung sein. Sie übernimmt bestimmte Tätigkeiten, dadurch fällt weniger Arbeitszeit für den Menschen an, der wiederum seine frei gewordenen Kapazitäten an anderer Stelle einsetzen kann. Aber: Die Mensch-Mensch-Interaktion bleibt im Gesundheitswesen wichtig und ist durch keine KI zu ersetzen.“
Autorin: Hayat Issa