26/09/2017
5 TIPPS AUS DER PSYCHOLOGIE ZUR VERBESSERUNG DES LERNVERHALTENS
Wie trickse ich meinen inneren Schweinehund aus? Warum habe ich „Aufschieberitis“ und was kann ich dagegen tun? Warum stressen mich einige Lerninhalte mehr als andere? Wer für Prüfungen lernen und eigentlich dem Schreibtisch verpflichtet sein sollte, dem sind solch quälende Fragen vertraut.
Auf die Frage „Wie lerne ich am besten?“, sollten Sie nicht nur mit Lerntechniken antworten können, auch das eigene Lernverhalten ist wichtig. Denn sich während des Lernens zu beobachten und einzuschätzen, ist der Schlüssel, um Lernblockaden zu überwinden und langfristig zu vermeiden. Hier helfen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie bei der Verbesserung Ihres Lernverhaltens. Auf dieser Grundlage hat Prof. Dr. Viviane Scherenberg, Dekanin des Fachbereichs Prävention und Gesundheitsförderung an der APOLLON Hochschule, fünf zentrale Tipps zusammengestellt, mit denen Sie Ihr Studium positiv angehen und Lernstress verringern können.
Tipp 1: Wecken Sie positive Emotionen!
Während kleine Kinder Lernen mit Entdeckungslust und Neugier verbinden, wird Lernen von Erwachsenen oft als anstrengend empfunden. Der Grund ist, dass Erwachsene über eine biografisch schon stärker geprägte subjektive Einstellung zum Lernen verfügen (vgl. Venth, 2006, S. 109). Negative Schulerinnerungen können Barrieren darstellen, die verhindern, dass wir uns unvoreingenommen und voller Freude auch auf ungeliebte Themen, wie z. B. Mathematik oder Statistik, freuen. Den Nutzen zu erkennen und Ziele zu definieren, die positive Emotionen auslösen (vgl. Storch, 2006, S. 173) ist bedeutend, damit unser Gehirn die Erschließung neuer Themen als Belohnung wahrnimmt und körpereigene Opiate (also Glückshormone) freisetzt. Hierbei sollten keine negativ-assoziierten Vermeidungsziele („Ich möchte bei Statistik nicht versagen!“), sondern positiv-assoziierte Annährungsziele („Ich werde Statistik endlich verstehen lernen!“) definiert werden (vgl. Grosse-Holtforth; Grawe, 2000, S. 170 f.). Das Definieren von kleinen, realistischen Zielen hilft, schnell Erfolgserlebnisse zu erzielen, am Ball zu bleiben und Aufgaben nicht aufzuschieben.
Tipp 2: Analysieren Sie Ihr Verhalten und finden Sie Ihren Rhythmus!
Rund 20-25 Prozent der Bevölkerung prokrastinieren, d. h. sie schieben unangenehme Aufgabe regelmäßig auf (vgl. Ferrari et al., 2007, S. 461). Da es zwei Arten der Prokrastination gibt, ist es wichtig, zu wissen, wann und warum wir Aufgaben aufschieben. Die passive Prokrastination, bei der Aufgaben unbestimmt verschoben werden, hat negative Auswirkungen, da kein erreichbares, positives Ziel definiert wird. Die aktive Prokrastination, bei der Aufgaben „strategisch“ und auf bestimmte Zeit verschoben werden, hingegen kann sogar positiv sein. Der aktiv Prokrastinierende glaubt an sich und die Zielerreichung und nutzt den Zeitdruck als Motivator (vgl. Corkin et al., 2011, S. 604). Prokastination ist demnach nicht per se negativ. Auf jeden Fall sollten Aufgaben nicht zu lange aufgeschoben werden. Denn schon nach den ersten kleinen Schritten werden Erfolge sichtbar und bringen eine automatische Verhaltensänderung ins Rollen, die den inneren Schweinehund austrickst. Wichtig ist es, den eigenen Rhythmus zu finden und täglich – je nach Lerntyp morgens oder abends – regelmäßige Rituale zu etablieren und sich nicht ablenken zu lassen. Neue Medien, beispielsweise WhatsApp oder Facebook, sollten uns dabei nicht von wichtigen Lebenszielen abhalten.
Tipp 3: Lernen Sie die eigenen Erfolge wertzuschätzen!
Damit Verhaltensumstellungen dauerhaft bleiben, müssen sie Freude machen, Erfolgserlebnisse vermitteln, mit Lust verbunden sein und die zentralen Bedürfnisse der Lebensqualität befriedigen (vgl. Berger, 2009, S. 123). Zu streng oder perfektionistisch zu sein, birgt die Gefahr eines Rückfalls in alte Verhaltensmuster. Daher sollten selbst allerkleinste Erfolge immer gewürdigt werden, auch wenn wir dazu neigen, negative Informationen ein höheres Gewicht beizumessen als positiven Informationen (Negativverzerrung). Zudem ist der sogenannte Stimmungskongruenzeffekt zu beachten: Je nach Tendenz der Grundstimmung verstärkt diese entweder negative oder positive Effekte (vgl. Hartung, 2010, S. 42). Eine positive Einstellung und Grundstimmung sind damit entscheidend für die Verhaltensumstellung.
Tipp 4: Ermutigen Sie sich gegenseitig statt sich zu vergleichen!
Die gemeinsame Ermutigung kann ein wichtiger Verhaltenstreiber sein. Leistungsvergleiche bzw. soziale Vergleiche dürfen nicht als Bedrohung wahrgenommen werden, sondern sollten dazu dienen, den eigenen Lernbedarf zu erheben (vgl. Schuster, 2016, S. 47). Dabei darf nicht vergessen werden, dass jeder einen eigenen Rhythmus sowie eigene Stärken und Schwächen hat. Entsprechend darf der soziale Vergleich keinen Wettbewerbscharakter annehmen. Sich einen Tandem-Partner zum Lernen zu suchen, der andere Stärken und Schwächen aufweist, kann beiden helfen, sich wechselseitig zu bereichern. Bei der gegenseitigen Ermutigung sollte die Motivation aus der positiven Zielerreichung (Annährungsmotivation) und nicht der Vermeidung negativer Folgen (Vermeidungsmotivation) gezogen werden (vgl. Schuster, 2016, S. 47).
Tipp 5: Stoppen Sie negative Gedanken!
Sich mit den eigenen Denkmustern zu beschäftigen, kann die Verhaltensänderung, den Lernerfolg und das Wohlbefinden entscheidend beeinflussen. Denn oft sind Emotionen eher mit den eigenen Gedanken als mit realen Tatsachen verknüpft. Negative Gedanken zu stoppen und positiv umzulenken, hilft den hinderlichen inneren Dialog zu beenden. Eine gute Möglichkeit hierzu ist es beispielsweise, die Selbstinstruktion „Stop!“ gedanklich einzubauen. Ebenso hilft es, mit positiven Gedanken bewusst negativen Glaubensätze oder Sichtweisen entgegenzuwirken (vgl. Kiper; Mischke, 2008. S. 74 f.). Eine positive Visualisierung, ein ermutigendes Motivationszitat oder sogar ein Gegenstand, beispielsweise ein Maskottchen, kann dabei helfen, sich immer wieder bewusst an das eigene Ziel zu erinnern und seine Gedanken motivierend zu verfolgen.
Literatur
Berger, R. (2009). Psychologie der Hygiene. Darmstadt: Steinkopff.
Corkin, D. M.; Yu, S. L.; Lindt, S. F. (2011). Comparing active delay and procrastination from a self-regulated learning perspective. Learning and Individual Differences, 21 (5), S. 602–606.
Ferrari, J. R.; Diaz-Morales, J. F.; O’Callaghan, J.; Diaz, K.; Argumendo, D. (2007). Frequent behavioral delay tendencies by adults: International prevalence rates of chronic procrastination. Journal of Cross-Cultural Psychology, 38, S. 458–464.
Grosse-Holtforth, M.; Grawe, K. (2000). Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS). Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 29 (3), S. 170–179.
Hartung, J. (2010). Sozialpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer.
Kiper, H.; Mischke, W. (2008). Selbstreguliertes Lernen – Kooperation – Soziale Kompetenz. Stuttgart: Kohlhammer.
Schuster, B. (2016). Pädagogische Psychologie. Lernen, Motivation und Umgang mit Auffälligkeiten. Berlin/Heidelberg: Springer.
Storch, M. (2006). Hausaufgaben! Oder lieber nicht? Wie mit somatischen Markern Selbststeuerungskompetenz gelernt werden kann, in: Herrmann, U. (Hrsg.): Neurodidaktik – Grundlagen und Vorschläge für ein gehirngerechtes Lehren und Lernen. Weinheim: Beltz, S. 161–180.
Venth, A. (2006). Interdisziplinäre Zugänge zum Lernen Erwachsener. In: Nuissl, E. (Hrsg.). Vom Lernen zum Lehren. Lern- und Lehrforschung für die Weiterbildung. Bielefeld: Bertelsmann, S. 107–110.