Exkurs Zivilgesellschaft Hartnuß
Einblicke in die Soziale Arbeit – Exkurs von Birger Hartnuß, Lehrbeauftragter an der APOLLON Hochschule mit Schwerpunkt “Zivilgesellschaft”.
Zivilgesellschaft, bürgerschaftliches Engagement und Soziale Arbeit
Seit der Jahrtausendwende erfreut sich die Debatte über das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland ungebrochener öffentlicher Aufmerksamkeit. Seit dem Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 sowie den Empfehlungen der Enquete-Kommission des Bundestags 2002 hat sich das scheinbar „weiche“ Thema Bürgergesellschaft auf der politischen Bühne etablieren können. Neue Strukturen im Bund, in den Ländern und auch in zahlreichen Kommunen, neue Netzwerke und Akteure in der Zivilgesellschaft, vielfältige Programme und Projekte zur Stärkung von Ehrenamt und Bürgerengagement in den unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen lassen ein neues und eigenständiges Politikfeld “Engagementpolitik” erkennen. Dabei sind die politischen Bemühungen nicht nur von der Erkenntnis getragen, dass bürgerschaftliches Engagement ein wesentliches Element für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist und sozusagen als „sozialer Kitt“ unentbehrliche Bindekräfte entfaltet. Es wächst auch die Einsicht, dass keine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie die Gestaltung des demografischen Wandels, der Umbau sozialstaatlicher Institutionen, die Reform des Bildungswesens oder die Integration von Flüchtlingen ohne das aktive Mittun und Mitgestalten der Bürgerinnen und Bürger bewältigt werden kann.
Dies stellt auch die Soziale Arbeit vor die Aufgabe, bürgerschaftliches Engagement in die Erbringung sozialer Dienste und die Konzeption sozialer Angebote (neu) zu integrieren. Soziale Arbeit entspringt in ihrem Kern selbst bürgerschaftlicher Initiative und Selbstorganisation. Im Laufe ihrer Geschichte und Entwicklung ist ihr dieser „Markenkern“ jedoch zunehmend abhandengekommen. Ausdifferenzierung und Spezialisierung ihrer Angebote, fortschreitende Professionalisierung sowie nicht zuletzt eine immer stärker geforderte Dienstleistungsorientierung haben dazu geführt, dass im System der Sozialen Arbeit Bürger vor allem als Adressaten oder als Kunden, nicht aber als Erbringer und Koproduzenten sozialer Angebote wahrgenommen wurden.
Dieses Verständnis ist allerdings im Wandel begriffen und viele soziale Organisationen und Einrichtungen bemühen sich um eine Reintegration freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements in ihre Organisationsstrukturen und ihren Alltag. Hierfür benötigen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen das nötige Rüstzeug.
Denn Selbstorganisation und Eigenmotivation zivilgesellschaftlicher Akteure können nicht einfach „top down“ angeordnet und durch (Zwangs-)Instrumente durchgesetzt werden. Bürgerschaftliches Engagement bedarf vielmehr der Ermutigung, Wertschätzung, Unterstützung und organisatorischen Einbindung. Hierfür brauchen die in der Sozialen Arbeit Berufstätigen das notwendige Hintergrundwissen, um fachliche Konzepte und Strategien der Engagementförderung mit geeigneten Handlungsmethoden entwerfen zu können.
Das im Studiengang Soziale Arbeit integrierte Modul bietet hierfür eine Einführung in die Zivilgesellschaft, das bürgerschaftliche Engagement und seine Bedeutung für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Es vermittelt theoretische und empirische, organisatorische, methodische und politische Aspekte der Engagementförderung. Dabei wird auf einen starken Praxisbezug Wert gelegt.