Exkurs Sozialpsychologie
Was ist unter Sozialpsychologie zu verstehen?
Einblicke in die Soziale Arbeit – Exkurs von Prof. Dr. Marc Schipper, Professor für Angewandte Psychologie insbesondere Kognitions- und Sozialpsychologie an der APOLLON Hochschule.
Der Mensch steht immer unter sozialem Einfluss, auch wenn gar niemand in der Nähe ist. Was genau das bedeutet und welche Konsequenzen das für den Menschen hat, ist ein Gegenstand der Sozialpsychologie. Hierbei handelt es sich um eine psychologische Subdisziplin, die sowohl ein psychologisches Anwendungs- als auch Grundlagenfach darstellt. Der berühmte US-amerikanische Psychologe Gordon Willard Allport (1897-1967), einer der Begründer der Humanistischen Psychologie, definierte die Sozialpsychologie als die „Formulierung von Gesetzmäßigkeiten über die Beeinflussung von Denken, Fühlen und Verhalten von Menschen, durch die tatsächliche, vorgestellte oder implizite Beziehung zu anderen” (Allport, 1959, S.5). Trotz ihres Alters hat diese Definition nichts von ihrer Aktualität verloren, konkret und zeitlos beschreibt sie den Kern sozialpsychologischer Arbeit: Sozialpsychologen hinterfragen den situativen und sozialen Kontext von Verhalten, untersuchen den Einfluss von Individuen auf Gruppen (sowie den von Gruppen auf Individuen) und nutzen ihre erzielten Befunde, um den Ursachen gesellschaftlicher Strömungen und Phänomene auf die Schliche zu kommen oder Lösungen für soziale Probleme abzuleiten.
Auch außerhalb des gesamtgesellschaftlichen Handlungsfeldes bietet die Sozialpsychologie ein reiches und durch fortlaufende Forschung stetig wachsendes Repertoire an Know-how und Methoden, das die Erklärung menschlichen Handelns, gerade im zwischenmenschlichen Kontext, ermöglicht und damit die Tür für Veränderungsprozesse öffnet. Anwendung finden sozialpsychologische Ansätze damit in den verschiedensten Domänen, beispielsweise in der Sozialen Arbeit, wo es etwa darum gehen kann, die Ursachen bestimmter Stereotypen zu finden, um diese nachhaltig zu verringern. Aber auch im Management, wo die effektive Führung von Mitarbeitern oft Thema ist oder im Bereich der Mediation, deren Arbeitsbereich interpersonale Konflikte darstellen, um nur zwei weitere Anwendungsgebiete zu nennen, ist sozialpsychologische Expertise unabdingbar.
Ein Fundament der modernen Sozialpsychologie bildet ein Axiom, das besagt, dass der Mensch seine eigene Realität konstruiert, unsere Realität somit immer subjektiv ist. Dieses Axiom kann inzwischen auch neurowissenschaftlich belegt werden und erfährt mittlerweile in allen psychologischen Teildisziplinen Beachtung. Der Einfluss sozialpsychologischen Wissens auf andere Disziplinen zeigt sich auch sehr deutlich in der Klinischen Psychologie, die sich durch die Sozialpsychologie immer mehr den systemischen Ansätzen öffnet, den Patienten also nicht isoliert, sondern zunehmend als Teil eines sozialen Systems (soziales Umfeld, Familie, Freunde, Kollegen, …) betrachtet und Teile des Systems in die Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen einbezieht.
Literatur:
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Gordon W. Allport: Persönlichkeit. Struktur, Entwicklung und Erfassung der menschlichen Eigenart. (2. Aufl.). Beltz, Meisenheim a. Gl. 1959.
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Fischer, P., Jander, K. & Krueger, J. (2018). Sozialpsychologie für Bachelor. Springer: Heidelberg.