Von allen und für alle – unabhängig vom Alter
Wer alt ist, zählt zur Risikogruppe und soll sich besonders vor Corona schützen. Aber ab welchem Alter zählt man eigentlich zur Risikogruppe? Birte Schöpke, Studiengangskoordinatorin des Masters Angewandte Gerontologie (M. A.), setzt sich mit dieser Frage auseinander.
Mit Inkrafttreten der Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus im März und mit der Lockerung der Schutzmaßnahmen im Mai mehrten sich auch die Stimmen derjenigen, die meinten, Menschen, die einer Risikogruppe zugeordnet werden, sollten zu Hause bleiben, damit alle anderen weiter „normal“ leben können. Oft wurde in dem Zusammenhang davon gesprochen, dass „die Alten“ zu Hause bleiben und von anderen mit Einkäufen versorgt werden sollen.
So einfach ist es aber nicht und damit greift diese Argumentation zu kurz. Denn zum einen gibt es nicht „die Alten“. Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie hat in mehreren Stellungnahmen und Veröffentlichungen deutlich gemacht, dass man das Alter und damit auch „alte Menschen“ differenzierter betrachten sollte. Zum anderen werden ältere Menschen mit Vorerkrankungen genauso zur Risikogruppe gezählt wie jüngere Menschen mit Vorerkrankungen. Vereinzelt wurden sogar Zeitfenster, in denen nur Personen einkaufen dürfen, die einer Risikogruppe angehören, eingeführt. Hier stellen sich die Fragen, ob dann aber auch ein 30-Jähriger, der aufgrund einer Herzkreislauferkrankung oder einer Krebserkrankung zur Risikogruppe gehört, dies nutzen darf und wie weist er es nach? Muss dafür ein ärztlicher Nachweis erbracht und vorgezeigt werden? Eine Differenzierung aufgrund des kalendarischen Alters ist dabei einfacher durchzusetzen und zu überprüfen, ohne weitere Nachweise.
Das Alter ist demnach kein passendes Merkmal, um alle Menschen der Risikogruppe zu identifizieren. Selbstverständlich ist es richtig, dass Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, und ältere Menschen generell besonders geschützt werden. Das darf aber nicht bedeuten, dass sie von der Außenwelt abgeschottet werden, vereinsamen oder quasi entmündigt werden. Kinder und Enkelkinder sollen ihre Eltern und Großeltern besuchen können und sich um sie kümmern. Dennoch sollte sich jeder der Gefahr der Ansteckung bewusst sein und sich und andere schützen. Dazu gehört dann auch die Rücksicht beim Einkaufen und im täglichen Miteinander. Aber bitte, von allen und für alle, unabhängig vom Alter.