„Kita-Warteschlangensysteme“
oder das Bringen und Holen in Zeiten von Corona
Prof. Dr. Olav Götz, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, versucht sich dem Thema „Das morgendliche Bringen in den Kindergarten“ mit einer Simulation anzunähern. Kann das Rechenbeispiel funktionieren?
Die Corona-Pandemie erreicht uns in allen Lebenslagen, zu vielen Tages- und Nachtzeiten und fordert uns täglich in verschiedensten Situationen heraus. Zum Glück ist an der einen oder anderen Stelle bereits wieder ein Stück „Normalität“ zurückgekehrt. Dennoch werden wir wohl bis auf weiteres mit neuen Regeln und insbesondere mit neuen Abläufen zu tun haben – so zum Beispiel auch in den verschiedensten Bildungseinrichtungen von der Kita über die Schulen bis zu den Hochschulen.
Greifen wir an dieser Stelle einmal den morgendlichen oder teilweise auch nachmittäglichen Ablauf des Bringens und Holens der Kinder in einer Kita heraus. Prinzipiell muss an dieser Stelle natürlich erwähnt werden, dass die Kommunen und Gemeinden, die verschiedenen Träger und dann nochmals in den verschiedenen Bundesländern dieses „Holen und Bringen“ sehr unterschiedlich handhaben. Insgesamt macht es jedoch keinen Unterschied und es ergibt sich unter bestimmten Annahmen ein „Kita-Warteschlangensystem“, sei es nun unmittelbar am Gartenzaun der Kita oder vielleicht doch auf dem Gelände der Kita im Eingangsbereich.
Nun stellt sich vielleicht die interessante Frage, wann es am „besten“ wäre, seine Kinder in die Kita zu bringen, um möglichst wenig Zeit in einer eventuellen Warteschlange zu „verbringen“. Da sich, wie oben bereits kurz angedeutet, eine Vielzahl möglicher „Nebenbedingungen“ und „Restriktionen“ im Prozess des Bringens oder Holens ergeben, sollen an dieser Stelle ein paar Annahmen getroffen werden.
Annahmen: Beim betrachteten Prozess soll es sich lediglich um das Bringen eines Kindes oder der Kinder in die Kita handeln. Die benötigte Zeit beim Bringen ist nicht abhängig von der Anzahl der zu bringenden Kinder und beträgt 4 Minuten (bei einer logarithmischen Normalverteilung und einer Standardabweichung von 1 Minute). Bevor die Einrichtung ggf. betreten werden darf oder die Kinder am „Gartenzaun“ an die Erzieherinnen oder Erzieher gegeben werden, müssen noch die eigenen Hände gewaschen und desinfiziert werden. Dies benötigt eine Minute (bei einer angenommenen Normalverteilung mit einer 0,5-minütigen Standardabweichung). Das Bringen der Kinder kann lediglich von 07.30 Uhr bis 09.00 Uhr erfolgen. Es werden insgesamt 70 Kinder bzw. mehrere Kinder in die Kita gebracht, so dass der skizzierte Prozess insgesamt 70-mal durchlaufen wird. Im Kita-Gebäude dürfen sich lediglich maximal 4 Eltern mit ihren Kindern gleichzeitig aufhalten. Das Händewaschen und die Desinfektion können gleichzeitig lediglich von einem Elternteil durchgeführt werden. Nun hat sich aus der Beobachtung heraus gezeigt, dass die Eltern (insgesamt 70) komplett gleichverteilt an der Kita ankommen. Das ist zwar sehr ungewöhnlich, aber ok. Die ersten Eltern stellen sich ab 07.15 Uhr an der Kita an und danach kommen exakt alle 1,5 Minuten weitere Eltern mit ihren Kindern dazu.
Nun stellt sich die Frage, wann es für uns am besten wäre, seine Kinder in die Kita zu bringen. Der eigene Terminkalender sagt, dass lediglich das Bringen der Kinder um 07.30 Uhr, 08.00 Uhr, 08.30 Uhr oder um 09.00 Uhr möglich ist. Welche Zeit sollten wir wählen?
Die Frage ist an sich gar nicht so leicht zu beantworten und hier soll uns eine kleine Simulation helfen, die in Bereichen des Gesundheitswesens schon oft Anwendung gefunden hat und der Autor sie für zahlreiche Prozesse schon umgesetzt hat. Dabei möchten wir dies nicht anhand nur eines simulierten Tages entscheiden, sondern anhand von 100 simulierten Tagen.
Es zeigt sich, dass die Zeit, die zum Bringen der Kinder in der Kita sehr unterschiedlich sein können. Sofern wir uns für 07.30 Uhr entscheiden, haben wir mit einer Gesamtzeit im System von guten 22 Minuten (22,36 min) zu rechnen. 08.00 Uhr oder auch 08.30 Uhr sind in Bezug auf die Wartezeiten und die Gesamtzeiten vor Ort noch ungünstiger (08.00 Uhr mit 27,77 min und 08.30 Uhr mit 27,72 min). Richtig schnell geht es für uns, wenn wir uns erst um 09.00 Uhr anstellen. Dann wären wir im Mittel nach ca. fünfeinhalb Minuten (5,54 min) wieder aus der Kita raus. Somit sollten wir uns, unter den oben genannten Annahmen am besten um 09.00 Uhr anstellen, wenn wir möglichst wenig warten wollen.
Nun gut, zum Glück ist die Realität ja ein wenig komplexer und die getroffenen Annahmen sind teilweise recht restriktiv. Darüber hinaus hat sich die Lage in einigen Bundesländern, Kommunen und Gemeinden bereits merklich entspannt und das Bringen und Holen, sei es in der Kita oder auch in den Schulen, läuft weitestgehend reibungslos und gut organisiert. Dennoch kann uns Simulation bei vielen Fragestellungen insbesondere auch im Gesundheitswesen, helfen. Jedoch nicht nur, aber vor allem auch beim „Bringen und Holen“ in Zeiten von Corona.
Weiterführende Literatur:
- Banks, J. 2014. Discrete-event system simulation. 5th ed. Prentice-Hall international series in industrial and systems engineering, Pearson Prentice Hall, Upper Saddle River, NJ.
- Harrell, C., Ghosh, B.K., Bowden, R. 2013. Simulation using ProModel. 3th ed. McGraw-Hill series in industrial engineering and management science, 3rd ed. McGraw-Hill, Boston.
- Law, A.M. 2006. Simulation modeling and analysis. 4th ed. McGraw-Hill series in industrial engineering and management science, 4th ed. McGraw-Hill, Boston.