Corona und die Krise in der Altenpflege
Dr. Barbara Mayerhofer, Studiengangsleiterin des Bachelors Pflegemanagement (B. A.) zur Lage in deutschen Altenpflegeheimen.
Die Zahl der Menschen, die sich mit Covid 19 infiziert haben, steigt in Deutschland weiterhin täglich an. Zum 07. Mai waren laut Johns Hopkins Universität mehr als 168.000 Personen infiziert und 7.275 Personen verstorben. Das Durchschnittsalter beträgt 80 Jahre, wobei nachweislich mehr Männer betroffen sind.
Nachdem sich der erste Bewohner in einem Altenpflegeheim infiziert hatte und bald darauf verstorben ist, mehrten sich in ganz Deutschland die Infektionen bei Altenpflegekräften und Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen, die zum Hotspot der Coronakrise geworden, und so in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt sind.
In Deutschland gibt es ca. 3,4 Millionen Pflegebedürftige, von denen mehr als 800.000 (24%) in stationären Pflegeeinrichtungen leben und von ca. 760.000 Mitarbeitenden, davon ca. 2/3 Pflegefachkräfte, betreut und versorgt werden. Nicht nur die multimorbiden Pflegebedürftigen und der hohe Anteil demenziell erkrankter Bewohner (70%), sondern auch die Pflegenden sind besonders vulnerabel und schutzbedürftig.
Gesundheitsminister Jens Spahn wollte bereits 2018 mit zusätzlichen 18.000 Stellen, für mehr als 14.000 Pflegeheime, die prekäre Personalsituation entspannen. Jedoch konnte wegen eines generellen Mangels an Pflegefachkräften auf die, seit langem bestehende, Personalknappheit nicht reagiert werden. Die vom Gesetzgeber geforderte 50%ige Fachkraftquote, die sich an der Höhe des Pflegegrads orientiert, kann in vielen Einrichtungen nicht eingehalten werden, sodass vermehrt nicht examiniertes, und damit besonders für eine Krisensituation nicht ausreichend geschultes, Personal eingestellt wurde. Dies brachte bereits vor der Corona-Pandemie die Altenpflegekräfte aufgrund beständig hoher psychischer und physischer Anforderungen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
In Folge der „…der seit Jahren schlechten Arbeitsbedingungen…“ stiegen die Überstunden der Fachkräfte an, die zusätzlich zu den hochkomplexen pflegefachlichen Tätigkeiten pflegefremde Tätigkeiten übernehmen müssen. Versäumnisse im Personal- und Qualitätsmanagement sowie ein meist fehlendes Risiko- und Krisenmanagement führten in vielen Einrichtungen zu einem teils hilflosen (Re-)agieren der Pflegefachkräfte, die sich von den Vorgesetzten Orientierung erhofften.
Die explosionsartige Ausbreitung des Virus, der nach wie vor eklatante Mangel an Schutzausrüstung, sowie die Sorge um die Bewohner und auch um sich, zieht eine Krise der Pflegenden nach sich. Versagensängste, Überarbeitung, fehlende Betreuungs- und Hygienekonzepte und eine massive Verunsicherung durch die Abweichung von der Normalität, hemmen die sonst gerade bei Altenpflegekräften vorhandene Kreativität und Improvisationsfähigkeit und verringern die Chance, erfolgreich auf die Infektion reagieren zu können.
Corona zeigt mit aller Härte, wie notwendig nicht nur eine Veränderung des Personalschlüssels, mit einer hohen Pflegefachlichkeit, sondern auch zielgerichtete Fortbildungen und Unterstützung für Pflegende im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer sind. Fehlende Fortbildungen im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements wie bspw. Resilienzschulungen, Coaching oder Supervision wirken sich nachteilig auf die Pflege und das Commitment aus.
Es bleibt abzuwarten, ob der Applaus der Bevölkerung für die „Helden des Alltags“ eine höhere und nachhaltige Akzeptanz und Wertschätzung bewirkt und für die Pflegeberufe auch finanziell nachhaltige Auswirkungen hat. Eine einmalige Bonuszahlung alleine wird dem Berufsstand nicht gerecht.
Quellen:
Bienstein, C. (2020). Pflegende verdienen mehr als Applaus und Einmalboni. https://www.springerpflege.de/politik/applaus-und-einmalboni/17922858 (25.04.2020).
Jansen, T. (2020). Angst vor Corona – Bedrohung der Pflege durch die Logik eines Affekts. In: Interdisziplinäre Aspekte der Corona-Pandemie und deren Implikationen für Pflege und Gesellschaft, S. 53-56. https://www.pflege-wissenschaft.info/nachrichten/artikel/nachrichten/78-pflegejournal/nachrichten/12298-corona-special-der-pflegewissenschaft-erschienen (25.04.2020).
Johns Hopkins University (2020). Covid 19 Dashboard. https://coronavirus.jhu.edu/map.html (07.05.2020).
Riedel, A.; Heidenreich, T. (2020). Der Applaus für die (Für)Sorge fordert die Protektion der Selbst(für)sorge. In: Interdisziplinäre Aspekte der Corona-Pandemie und deren Implikationen für Pflege und Gesellschaft, S. 156-162. https://www.pflege-wissenschaft.info/nachrichten/artikel/nachrichten/78-pflegejournal/nachrichten/12298-corona-special-der-pflegewissenschaft-erschienen (25.04.2020).